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MONOLOGE.

Angst

Lian (jüdisch)

Die Angst. Meine Grossmutter hört nicht auf, darüber zu sprechen. Die Angst, alles zu verlieren, am Morgen aufzustehen und alles ist weg.

 

Ich habe Angst, dass ich dasselbe wie sie erlebe: alleine zu sein ohne Mutter und ohne irgend jemanden, und dass ich dann herumirre in den verschneiten Strassen einer verlassenen Stadt, barfuss nach einer Schlafmöglichkeit suchend, an Türen von Einwohnern klopfend, in der Hoffnung, dass mich irgendeine Zigeunerfamilie aufnimmt, welche meine verbotene Identität versteckt, und dass ich mein ganzes Leben vor mir selbst flüchten muss, vor meiner verbotenen Sprache und vor meiner kleinen, gefährlichen Vergangenheit .

So war es immer. Sagt meine Grossmutter. Man hat uns immer gehasst, das ist nicht neu. Und

man wir uns immer hassen, auch wenn unsere Strassen nicht länger von Schnee bedeckt sein werden.

Aber wir sind nicht mehr allein. Das sagt meine Grossmutter.

 Text: Shredy Jabarin

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